EGL037 Der Gedankenstrich: Wo sich Grammatik, Schriftsatz, Poesie und Design 'Gute Nacht' sagen

Dass hier "die Phantasie des Lesers tätig werden muß" (J. Stenzei 1966, zitiert nach Dalmas, 1994:56).

2023, Florian Clauß & Micz Flor
Eigentlich-Podcast
https://eigentlich-podcast.de/

Der Gedankenstrich ist ein heimlicher Riese mit unheimlicher Wirkmacht im Text, die unsichtbare Nuance, die alles verändert. Als Stilmittel kann er Gedanken einrahmen, Spannung erzeugen, Schweigen ausdrücken, eine Kehrtwende einleiten, Dialoge strukturieren und -- Pausen erzeugen. In der Welt der Schriftgestaltung versteckt sich der Gedankenstrich als stiller -- wir sind ja *eigentlich* ein Filmpodcast -- Regisseur und ich möchte ihm eine Episode widmen.

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Eigentlich Intro


Micz:
[0:03] Besser, besser. Mach mal Stopp. Warum? Du hast zu viel Freifläche.
Ja, aber ich nehme das vielleicht.
Du musst klatschen. Ah ja, genau. Du musst klatschen. So?
Jetzt noch ein Bildchen. Jetzt geht's los.
Jetzt geht's los. Hast du eigentlich schon mal irgendwelche Leute gesehen,

Die einzigen, die laufend reden


[0:32] die Podcasts aufgenommen haben?

Flo:
[0:36] Beim Laufen und im Laufen reden?

Micz:
[0:39] Das ist es wahrscheinlich, du hast recht. Ich hab die ganze Zeit überlegt, so viele Leute haben jetzt Podcasts. Jeder hat ja irgendwie Podcasts wie ihr auch. Und ich sehe aber nie Leute, die Podcasten. Aber das ist natürlich so, weil nur wir laufend reden und beim Laufen reden.

Flo:
[0:53] Ja, wir haben ein Alleinstellungsmerkmal und das möchten wir herausheben.
Nämlich, hallo und herzlich willkommen bei EIGENTLICH PODCAST, Folge 37, wo wir im Laufen reden und laufen reden und heute, das zeichnet genau, das zeichnet uns nämlich aus von anderen Podcasts, die so eine gute Qualität haben in der Stimme, aber auch so ähnliche Themen wie wir.
Aber wir haben halt auch noch zu jedem unserer Folge einen Track auf der Netzseite, den man sich auch über Komoot runterladen kann oder einer anderen App.
Und da seht ihr, wo wir langgelaufen sind. Wir kommen so ein bisschen in das Problem, dass wir jetzt eigentlich keine Strecke mehr hier laufen können in Berlin, wo wir nicht uns schon mal so gekreuzt sind.

Micz:
[1:53] Es stimmt gar nicht. Wir können ja irgendwann mal nach Moabit fahren, da haben wir noch richtig viel zu fahren.

Flo:
[1:57] Doch, in Moabit waren wir auch schon.

Micz:
[1:57] Ja gut, in Moabit waren wir auch schon.

Flo:
[1:59] Mehrheit.

Micz:
[2:01] Im Moabit-Area innen würden sich da wahrscheinlich auf die Füße getreten fühlen, wenn links wäre. Das ist schon durchforstet.

Unsere Tour: Tempelhofer Feld pur


Flo:
[2:08] Ja, aber das Kernstadtteil, da sind ja immer nur Routen, wo man uns irgendwie so... Und hier sind wir gestartet, Leine Straße.
Auf dem Tempelhofer Feld werden wir eine Folge kreuzen oder sogar zwei.
Nämlich einmal First Cow, eine frühe Folge, von Kelly Reichardt, der Film First Cow, das ich präsentiert habe und eine unserer erfolgreichsten Podcast-Episoden, nämlich Encanto.

Micz:
[2:45] Ja, das fand ich lustig. Die ersten 5 Minuten. Unser heutiges Thema.

Flo:
[2:51] Sind rum. Hab ich schon mal rumgeguckt.

Micz:
[2:55] Das Ding ist ja, normalerweise gibt es da vorne immer so ein bisschen ein paar Labern. Und dann lernt man sich die Leute kennen. Aber hier haben wir irgendwie 5 Minuten voll mit Komod, mit GPS Tracks.

Flo:
[3:05] Ja, aber was sollen wir denn auch privat erzählen? Wir erzählen uns ja auch nichts mehr privat, wenn wir uns treffen. Aber Mitch, du bist heute Themenpräsentator, Themenmitbringer.

Das Thema: Der Gedankenstrich


Micz:
[3:16] Genau, und ich habe mich jetzt einfach so ein bisschen im Windschatten eingereiht von der letzten Folge Webfonds, weil ich bin da überhaupt kein Experte, aber so ein Hobby-Wutbürger, was so Satzzeichen...

Flo:
[3:28] Wutbürger.

Micz:
[3:30] Wutbürger, was so Satzzeichen angeht. Ah, da muss man ein Semikolon nehmen, das ist doch viel klarer.
Und es gibt meinen Lieblingssatzzeichen, das wollte ich heute dann einfach mal so hineinschieben und habe gedacht, es wird wahrscheinlich eine kurze Folge, weil so viel kann man dazu gar nicht sagen.
Aber es geht um den Gedankenstrich.

Flo:
[3:50] Der Gedankenstrich, okay.

Micz:
[3:55] Und ich dachte, wenn wir jetzt schon hier in Neukölln lostreten, können wir das,

Der langgezogene Von-Bis-Strich auf Berliner Postern


[3:59] aber Aber jetzt sind wir halt im Park, weil den Gedankenstrich in seiner designgestalterischen Form, den sieht man manchmal inzwischen auf so Poster, ne?
Also es gibt auch oft, hast du wahrscheinlich sofort so ein inneres Bild, wenn dann irgendwas vom 12. bis zum 18.
Oktober ist, dann ist die 12 links, 18 und Oktober rechts und in der Mitte ist dann so ein langer Strich, also dieser Bindestrich, Gedankenstrich oder Bisstrich oder es gibt ganz viele Worte dafür, da werden wir nachher noch mehr drüber reden.
Der ist gerade, finde ich, so grafikdesignmäßig auch ziemlich buchstäblich gestreckt worden in den letzten Jahren.

Im Deutschen kürzer als im Englischen


[4:39] Ja, der Gedankenstrich. Wie bin ich da überhaupt drauf gekommen?
Weil ich schon, also ich hatte das schon immer mal wieder wahrgenommen, dass es in Deutschland gibt einen Gedankenstrich in Texten.
Der ist irgendwie kürzer als der im Englischen. Und im Deutschen gibt es immer so white space, also so Freiräume, rechts und links vom Gedankenstrich zwischen den Worten.
Im Englischen hatte ich das Gefühl, der ist länger, aber ohne Zwischenräume zwischen Buchstaben und Gedankenstrich.

[5:15] Und das ist was, was mich irgendwie so beschäftigt. Dann habe ich gedacht, dann habe ich mal irgendwann gehört M'N''.
Im Englischen, also M das ist quasi der längere, N das ist der kürzere.

Flo:
[5:26] M und N, ne?

Micz:
[5:28] Ja, M, also wie Mitch und N wie Klaus.

N-Dash M-Dash


Flo:
[5:32] Wie Klaus? Ne, wie Nordpol, sagt man doch in der Klassischen.

Micz:
[5:38] Ja, ich wollte einen Witz machen, aber es ist mir ganz vom Tisch gefallen.

Flo:
[5:42] Und weißt du auch, warum das eine M und N heißt?

Micz:
[5:46] Weil der eine länger ist und der andere...

Flo:
[5:47] Ja, aber woher sich das ableitet? Kommen wir gleich nochmal zu.

Micz:
[5:50] Du meinst jetzt von, ja, komm, wir bestimmen das, also ich freue mich, wenn du reinchippst, weil ich habe nur genug für 15 Minuten.

Tastatur kennt eigentlich nur das Minus


[5:58] Wenn man so einfach an der Tastatur groß geworden ist, ich weiß gar nicht, wie das, also als ich noch mit Füller geschrieben habe, da war das irgendwie kein Thema, der Gedankenstrich.
Aber wenn man mit Tastatur groß wird, dann hat man einfach in der Regel natürlich diesen einen kleinen Strich auf Hüfthöhe, der dann als Minus fungiert, als Gedankenstrich, als Trendsträger als alles mögliche und als ich mich dann ein bisschen mit...
Kennst du Pandoc, die Software Pandoc?

Markdown, Pandoc und M-Dash


Flo:
[6:26] Ja, so eine Python-Bibliothek, oder?

Micz:
[6:29] Ne, Pandoc, das gibt es ja auch, glaube ich, bestimmt.

Flo:
[6:31] Ja, genau.

Micz:
[6:32] Original ist in Haskell geschrieben, aber das ist Pandoc, also das ist, glaube ich, auch wirklich so ein One-Developer-Projekt, was ich liebe. Ich liebe Pandoc.
Das ist im Prinzip ein Konvertierungsprogramm von einem Format in ein anderes.
Das funktioniert sehr gut, zum Beispiel, wenn man einen Markdown schreibt mit Fußnoten mit hochgestellt und hast du nicht gesehen und das dann als PDF konvertiert, dann kriegt man sehr schnell aus hingerotzen Texten einfach sehr schön gestaltete PDF-Dokumente.
Und da habe ich zum ersten Mal gesehen, dass wenn man im Markdown einen Bindestrich oder Gedankenstrich, dann wird es ein Gedankenstrich, wenn man zwei Minus nebeneinander macht von der Tastatur, dann kommt das so richtig hübsch als PDF hinten raus.
Und seitdem mache ich bestimmt doppelt so viele Gedankenstriche in meinen Texten, weil es einfach so schön aussieht, wenn es dann hinten so ein PDF rauspurzelt.
Das war so mein erster Zugriff auf diesen Unterschied und dann habe ich, das machen wir vielleicht ganz zum Schluss mal, habe ich auch noch so eine Tabelle jetzt in der Recherche gefunden, natürlich von Wikipedia, was es da so alles gibt.
Und da, das meintest du wahrscheinlich, dieses geführt, halbgeführt, viertelgeführt und diese alte Sprache aus Bleisatz.

[7:55] Das ist ja auch so ein Thema. Da werden wir nochmal drauf sprechen.
Und dann halt in dieser Tabelle hinten, fand ich es halt auch irre zu sehen, jetzt gibt es ja wirklich Unicode, um alles abzubilden.
Aber es ist immer noch so, dass nicht alle alten Spationierungen, also einfach Abstände oder Strichformate wirklich in Unicode abgebildet sind.
Und beim Recherchieren, ich weiß nicht, ob dir das auch ausgefallen ist,

Der Gedankenstrich-Krieg


[8:18] hatte ich so ein Geschichten aus der Geschichte Feeling. Hast du das gesehen?

Flo:
[8:24] Das wollte ich eigentlich schon wegschieben.

Micz:
[8:26] Das wollte ich eigentlich vorne wegschieben. Das ist der sogenannte Gedankenstrichkrieg.
Der Gedankenstrichkrieg, da geht es darum, dass nach 89, Zerfall UDSSR in der Tschechoslowakei, damals war für diese Tschechoslowakei war CSSR, also Tschechische Slowakische Sozialistische Republik, dass es da irgendwie Bestrebungen gab, das ein bisschen zu trennen, beziehungsweise zu verbinden.

Flo:
[9:02] Was denn zu verbinden und zu trennen?

Micz:
[9:04] Der Name der Tschechoslowakei, weil da Tschechoslowakei ist quasi alles zusammen.

Flo:
[9:08] Also wie Jugoslawien damals, quasi Vielvölkerstaat, Tschechoslowakei ist Tschechien und Slowakei, um das jetzt quasi so in einem Wort zu vereinen, aber okay.

Micz:
[9:19] Ja, und es sollte eben aber eben immer noch als Föderation da sein, allerdings als eigene Teile, eben nicht mehr zusammengewurstet sprachlich.
Und nach 89 war es so, dass zuerst damals der Präsident Václav Havel dafür war, dass man einfach das sozialistisch rausschmeißt und den Rest irgendwie bestehen lässt, aber es gab dann auf einmal Stimmen, man solle doch irgendwie deutlich machen, dass es hier sich um Tschechoslowakei mit einem Strich in der Mitte.
Und das ist jetzt natürlich in der Tat kein Gedankenstrich, das heißt trotzdem im deutschen Gedankenstrichkrieg. Ich weiß nicht genau.

Flo:
[10:01] Ja, aber weil das wahrscheinlich genau dieses Format von dem gefürtelten Abstand einhält.
Also quasi den...

Micz:
[10:11] Das halbgeführt ist der...

Flo:
[10:13] Ich glaube, wir müssen gleich nochmal zur Typografie was machen, um das mal besser einordnen zu können, weil das wichtig ist zum Verständnis, warum gefürtelt, halbgeführt...

Micz:
[10:24] Das können wir direkt vielleicht danach machen, aber wenn wir es jetzt hier reinschieben...

Flo:
[10:27] Genau, also wir machen jetzt eine Fußnote und sagen zwei Seiten weiter.

Micz:
[10:34] Es ging darum, diese Föderation aus Tschechien und Slowakei darzustellen.
Und dann war es die Frage, würde man das als Czesko-Slowensko mit Bindestrich, beziehungsweise Gedankenstrich oder mit dem Wort und, darstellen.
Und da gab es dann unterschiedliche Stimmungen dazu.

Flo:
[10:53] Darf ich nochmal ganz kurz einhaken an der Stelle? Also der Gedankenstrich, so wie man das dann auch irgendwie bei der Wikipedia als Definition findet, Das ist ja zum einen eine zeitliche Ausdehnung von bis, also es ist dann grammatikalisch erlaubt, dann von Öffnungszeiten mit Gedankenstrich zu kennzeichnen, also 14 bis 18 Uhr wird mit einem Gedankenstrich, es darf kein von davor gepoktet werden.

Micz:
[11:20] Warum fragst du das jetzt, weil das ist jetzt, das ist jetzt zu geil, dann komme ich ja ganz aus meinem Thema gerade raus.

Flo:
[11:25] Ne, jetzt, ich möchte es nochmal in den Kontext stellen, ich war noch nicht fertig.
Und es ist vor allen Dingen der Gedankenstrich dafür da, eine räumliche Ausdehnung zu bezeichnen.
Und da kommen wir, glaube ich, wieder in dieses zusammengesetzte Wort Tschechien-Slowakei.
Wenn dann Gedankenstich, dann hat es eine Konnotation von einer räumlichen Verbindung.

Der gleiche Strich für Bindung und Trennung


Micz:
[11:48] Ja, wobei es ging dann in der politischen Diskussion ging es dann eher darum, dass die Slowakei fand das ganz gut, sondern spricht da von einem Bindestricht.
Spojovnik. Ich kann es nicht gut aussprechen.
Das wurde allerdings von der tschechischen Seite zurückgewiesen, weil die sagten, es handele sich eben um einen Gedankenstrich, der aber auch als Trennstrich interpretiert werden kann.
Pomtschka, Pomtschka, keine Ahnung.

Flo:
[12:16] Aber er hat die gleiche Länge.

Micz:
[12:19] Ist nicht zu unterscheiden. Das ist beim Gedankenstrich auch noch das Thema später.
Also der wird manchmal, als der wird der gleiche Strich, wie er eben gesetzt wäre, als halbgeführt oder im Englischen ist es als geführt Strich, dass der dann eben im grammatikalischen Kontext oder auch im stilistischen Kontext eine eigene Bedeutung bekommt.
Und hier war es so, der Strich war identisch, aber die einen argumentierten, ist ein Bindestricht, zeigt die Zusammengehörigkeit und trotzdem kann Slowenska irgendwie ein bisschen Alleinstellungsmerkmal haben, weil, das kam dann noch dazu, man sollte es auch ein großes S kriegen, was aber, glaube ich, grammatikalisch damals auch oder immer noch falsch wäre, aber die hatten dann irgendwie gesagt, okay, wir machen Bindestricht, gehören zusammen, Slowenska kriegt ein großes S.
Die tschechische Seite hat argumentiert, nee, das ist ja ein Trennstrich.
Das ist ja irgendwie gar nicht, was wir wollen.

[13:12] Und darüber hat man sich dann eben gestritten. Die tschechischen Abgeordneten sahen darin sogar eine, in Anführungszeichen, Beleidigung der Nation.
Also haben das als trennenden Impuls wahrgenommen.

Nach '89: was gehört zusammen, was getrennt?


[13:24] Ich glaube, was ich da so interessant daran finde, ist halt, dass das natürlich nach 89 für ganz viele Länder eben auch Thema war.
Was gehört zusammen, was ist irgendwie getrennt?
Und es gab da, aber ich kann mich noch erinnern, war damals irgendwie auch in der Zeitung, weil gleichzeitig auf der westlichen Seite Europas wurde alles unter diesem Europaschirm quasi zusammengelegt und der östliche Teil Europas zerfiel halt irgendwie nach 89.

[13:50] Und ich finde es interessant, halt in diesem Beispiel, wie über die Schreibweise genau diese, ja wie soll ich sagen, auch diese Unklarheit, also dieser kleine Schritt, diese beiden Wörter zu trennen, großes S einzuführen, finde ich schon irgendwie spannend, dass sich das da so einfach auf dieser Wortebene abbildet.

Der Bindestrich als anbahnende Trennung


[14:09] Ist von mir so ein bisschen spekuliert, aber ich gehe davon aus, dass die Slowakei schon eher durch die Betonung des großen S auch wollte, dass sie ein bisschen sich da rauszieht, obwohl sie halt argumentiert, es sei ein Bindestrich, um diesen Schritt überhaupt machen zu können.
Also es war so ein bisschen gegenläufig und das würde auch so ein bisschen daran anschließen, dass es damals so war, dass die Slowakei zwar unterstrichen hat, es sollen jetzt beide föderalen Teile miteinander verbunden dargestellt werden, Aber in Tschechien war es so, dass dieser Strich eher als Weg zur Trennung wahrgenommen wurde.
Weil das war nämlich historisch schon so, dass dieser Strich schon 1938, 1939 eingeführt wurde.

[14:53] Und dann hat unter Hitler, unter seinem Schutz sozusagen, hat die Slowakei sich abgespaltet, hat den slowakischen Staat gegründet und der Rest, in Anführungszeichen, wurde dann eben als Protektorat Böhmen und Meeren angeschlossen in das Deutsche Reich.
Und das war ein historischer Vorgänger sozusagen, wo der tschechische Teil gesagt hat, nee, nee, wir fangen gar nicht erst an mit dem Bündnisstrich, das müssen wir irgendwie anders lösen.
In dem Streit kam man auch nicht schnell irgendwie an einen Punkt, wo man das lösen konnte.

Vom Bindestrich- zum großes-S-Krieg


[15:23] Deshalb gab es 1990 ein Verfassungsgesetz, was den neuen Namen, in dem Tschechoslowakei noch zusammengefasst blieb, aber als Föderation dargestellt wurde.
Der wurde beschlossen und Teil dieses Beschlusses war auch, dass umgehend ein neues Gesetz den Namen mit Bindestrich, aber kleinem s für Slowakei umsetzen sollte.
Und dann ging der Streit aber weiter an dem Punkt. Das war dann quasi keine Lösung, weil sich dann mit dem kleinen S wiederum neue Stimmen meldeten.

[15:59] Grammatikalisch ist das kleine S richtig, aber die Slowakei wollte ein großes S.
Einfach, um jetzt nicht als Anhängsel oder Adjektiv in Bezug auf Tschechien dazustehen, sondern um wirklich als Slowakei auf Augenhöhe dastehen zu können.
Es kam dann also letztendlich nie zu diesem Binde- oder Trennstrich-Namen mit großem S, sondern es wurde dann gleich auch noch 1990 ein Gesetz erlassen, wonach der neue Namen mit dem Wort UND die beiden Länder verbindet und völlig ohne.

Eine grammatikalisch inkorrekte Lösung ohne Bindestrich


[16:37] Das Verwirrende daran war, dass jetzt alle Buchstaben, sowohl tschechisch als auch slovenskisch, als auch föderale, als auch Republik, hatten Großbuchstaben, was grammatikalisch auch wieder falsch ist.
Historisch gesehen ist dieser Name immer noch intakt, wenn man über diese Zeit spricht. 1990 wurde es erlassen.
Aber es wird immer noch eben rechtschreibungmäßig darauf hingewiesen, dass es nach all dem Hin- und Herschieben irgendwie dann doch dazu kam, dass man den Strich rausgelassen hat und trotzdem quasi grammatikalisch falsch umgesetzt hat.
Kleine Trivia-Note noch. Das Ding klingt von außen vielleicht eher wirklich wie so ein Papiertiger-Krieg, also eine kleinkarierte Parlamentssache.
Aber es war sogar, dass Leute in Hungerstreik getreten sind in diesem Thema.
Ich weiß jetzt nicht mehr auf welcher Seite, aber es war für manches einmal wirklich eine Leib- und Seele-Angelegenheit.

Flo:
[17:31] Aber waren das auch Parlamentsangehörige, die dann Hunger hatten?

Micz:
[17:35] Das weiß ich nicht, das weiß ich nicht.

Flo:
[17:36] Oder vor den Parlamenten. Also es war eine sehr emotionale Diskussion.

Micz:
[17:41] Es war auf jeden Fall, ja klar, ich meine, es war nach 89, glaube ich, für viele sehr emotional.
Und das ist jetzt so die historische Anekdote zum Gedankenstrich,

Typografie und Schriftsatz -- 1. Ansatzpunkt zum Gedankenstrich


[17:51] der Gedankenstrichkrieg von 89, 90.
Und jetzt gehen wir mal wieder ein bisschen zurück, du hast es ja vorhin schon mal kurz angesprochen.
Es geht darum, zu sagen, was macht eigentlich den Bindestrich zum Bindestrich?
Und das finde ich halt eben auch so interessant, weil es gibt auf der einen Seite typografisch, historisch gesehen vom Schriftsetzen, gibt es halt unterschiedliche Strichlängen, die gesetzt werden können.

Flo:
[18:18] Genau, typografisch. Also ich muss ja sagen, dass ich ja jetzt irgendwie so ein bisschen die Lunde gerochen habe nach unserer letzten Folge, Wo Tobes dann über Werkfonds gesprochen hat und wo...
Ich bin dann auch mal so ein bisschen in diese ganze Typografie-Geschichte eingestiegen bin und das Ding ist ja, also da habe ich...

Micz:
[18:42] Du meinst mit Lunte gerochen, du meinst du bist auf den Geschmack gekommen?

Flo:
[18:45] Lunte gerochen, Geschmack gekommen, was auch immer für ein Sprichwort hier, aber es ist glaube ich ein...

Micz:
[18:53] Mit Lunte gerochen hätte mich gewundert, wenn du nach der Web-Fonds-Folge gedacht hättest, hmm, ich rieche die Lunte, der Mitch macht bestimmt was zum Gedankenstrich.
Aber okay, sag mal, du hast den Deckel aufgemacht und hast dich in die bleiernde Zeit des Buchsatzes begeben.

Flo:
[19:10] Ja, naja, also wirklich das Faszinierende und auch das ganze Regelwerk, was da alles rausgekommen ist, wie die technischen Produktionen sind, was da für Modeerscheinungen gekommen sind, wie Schrift überhaupt sich entwickelt hat, das ist ja wirklich ein...
Also das ist ja wirklich der heilige Gral des Designs, habe ich ja auch schon mal gesagt.
Da habe ich jetzt so ein bisschen mehr Respekt, weißt du. Man kann nicht mal so eben so, ha, so hat sich jetzt die gebrochene Schrift entwickelt.
Ich glaube, da gibt es ganz, ganz, ganz viele Leute, die sich unglaublich gut damit auskennen.
Deswegen streifen wir das so ein bisschen und sind vielleicht auch in der einen oder anderen Sache unsauber.

Euphorisches oder gefährliches Halbwissen?


Micz:
[19:55] Ja, also die Begeisterung ist da, aber das ist ja manchmal so, man gibt ja diesen Ausdruck gefährliches Halbwissen und ich finde aber Halbwissen kann auch euphorisches Halbwissen sein.
Zum Beispiel bei Kindern sieht man euphorisches Halbwissen. Das erste Mal irgendwie im Skateboard mehr als drei Meter drauf gestanden und dann ist einfach mal richtig Party angesagt.
Mir geht es generell so, wenn ich zu viel weiß, dann werde ich eher so ein bisschen geblockt so.
Aber jetzt nach der Webfond-Folge habe ich halt hier schon das Gefühl, ich muss auch so ein bisschen...

Flo:
[20:27] Ich muss... Genau, also...

Micz:
[20:29] Nicht, dass Tobes Nachtreck nicht noch beschmiert wird wegen unserer Follow-up.

Flo:
[20:36] Diese Folge hat nichts mit der vorherigen Folge zu tun. Bitte gehen Sie weiter.

Grammatik -- 2. Ansatzpunkt zum Gedankenstrich


[20:48] Und dann auf der anderen Seite bei dem Thema Gedankenstrich ist ja die Grammatik da nochmal mit drin. Also die Grammatik, unter welchen Konstellationen wann ein Gedankenstrich angewendet werden kann, ist auch ziemlich klar definiert.

Literaturwissenschaft -- 3. Ansatzpunkt zum Gedankenstrich


[21:04] Und auf der dritten Seite, und deswegen ist es wirklich so das Kreuzfeuer von verschiedenen Wissenschaften, Kulturwissenschaften, ist da natürlich die Literaturwissenschaft und die Lyrik.
Die Lyrik, von der ich sowieso überhaupt keine Ahnung habe.
Da wird ja der Gedankenstrich auch häufig als Stilmittel verwendet.

Marquise von O. und der Gedankenstrich als Verstummungszeichen


[21:34] Und dazu kann ich gar nichts sagen. Nur, dass einige im Bereich von Dadaismus oder ja einfach die auch sehr mit Struktur, Textstruktur arbeiten und natürlich auch den Gedankenstrich als Zeichen entdeckt haben und das natürlich ausgereizt ausgespielt und in diesem Zusammenhang habe ich auch offiziell recherchiert, das fand ich ganz interessant, nämlich der berühmteste Gedankenstrich der Literaturgeschichte.

Micz:
[22:07] Begegnet? Ich glaube, wir haben vielleicht in der Recherche das gleiche Text gelesen.

Flo:
[22:12] Die Maki von O.
Das ist eine Novelle von Heinrich von Kleist. Gut, ich müsste jetzt natürlich sagen, ich habe Literatur und ich habe Theaterwissenschaft studiert, also ich darf darüber reden.
Heinrich von Kleist ist wirklich ein großartiger Dramaturg.

Micz:
[22:32] Ich habe Psychologie studiert. Ich bestätige, dass er ein Vollbesitzer Geistigen Fähigkeiten ist und darüber reden darf.

Flo:
[22:39] Gut, ich habe es vielleicht 30 Jahre lang nicht gemacht.

Micz:
[22:41] Sag mal, weißt du, hier ist zu viel Wind?

Flo:
[22:42] Ne, wir haben ja so einen Windschutz.

Micz:
[22:44] Okay.

Flo:
[22:46] Du musst schneiden.
Und Heinrich von Kleist zeichnet es auch aus, dass er sehr kurze Szenen geschrieben hat und sehr verknappt auch dann in bestimmte Szenen eingedeutet hat.
Er hat den Gedankenstrich Also so wird es interpretiert, dass der Gedankenstrich, es geht darum, dass ein Major die Marquis vor dem Einfall der russischen Soldaten gerettet hat, sie sollte vergewaltigt werden von denen, das ist die Szene, er hat sie gerettet und der Gedankenstrich, wo er dann beschreibt, dass er sie gerettet hat, hier, und dann kommt der Gedankenstrich, und das ist so eine Textauslassung, wo dann erst im Verlauf der Handlung herauskommt, dass der Major Vater von dem Kind der Marquise wird.
Und dass er selber die Vergewaltigung gemacht hat. Und das hat ...
Also, das ist halt ein ziemlich genialer Zug, weil auf der einen Seite wird's nicht aufgelöst, auf der anderen Seite zeigt er einfach diese Brutalität des Systems und der Unterdrückung und hat das dann nur in der Andeutung so ...
Geschrieben, ja. Und man weiß nicht, ob es auch so gemeint ist, aber es ist auf jeden Fall ein dramaturgischer Kniff, der über den Gedankenstrich, der hier eingeführt wird.

Micz:
[24:12] Dann haben wir vielleicht doch nicht das Gleiche gelesen, weil die Stelle, auf die bin ich auch gestoßen, aber da wurde es so dargestellt, als ob sie sich dann ihm freiwillig hingibt, nach all dem Guten, was er ihr tat.

Flo:
[24:28] Ich habe die Gender-Studies darüber gelesen, dass die Vergewaltigung da ist.

Micz:
[24:33] Ja, aber ich glaube, dass ist ja genau diese Ambivalenz, die entsteht, wenn man ein Stückchen Sinn verschluckt oder unter diesem Strich begräbt oder Auslassungsstrich, dass man es weglässt.

Stilmittel: der Gedankenstrich als offene Tür im Fließtext


Flo:
[24:46] Genau. Also ich finde auch, wenn man sich persönlich fragt, bevor wir jetzt wirklich wieder in die technische Geschichte von Gedankenstrichen Eintrau, würde ich nochmal sagen, wann setzt man einen Gedankenstrich?
Ich meine, wann hast du das letzte Mal einen Gedankenstrich in deinen Texten verwendet?

Micz:
[25:02] Ich mache das inzwischen relativ oft.
Und inzwischen ist es auch so, dass es so ein Bauchgefühl ist, wo ich denke, hier passt es. Weil ich finde, der Gedankenstrich ist so ein bisschen wie durch offene Türen laufen.
Es gibt, um halt diese Interpunktionssache da mal anzufassen, es gibt ähnliche Möglichkeiten mit zum Beispiel eingeschobenen Sätzen umzugehen.
Wenn man die mit Kommata abtrennt, wenn man die in Klammern fasst, zum Beispiel.
Oder wenn man die mit einem Gedankenstrich freistellt.

Flo:
[25:43] Aber weißt du jetzt noch ein ganz konkretes Beispiel von Text, wo du gesagt hast, hier setze ich bewusst einen Gedankenstrich?

Micz:
[25:52] Ich habe kein Beispiel im Kopf, aber ich mache es wirklich inzwischen relativ oft. was wirklich daran liegt, wie ich am Anfang sagte, dass man bei Pandog mit zwei Minusgänzen hingekriegt hat. Das war total Spaß.

Flo:
[26:02] Ja, und da kommen wir nochmal auf die vierte Seite zu sprechen, nämlich die Ästhetik.

Ästhetik -- 4. Ansatzpunkt zum Gedankenstrich


[26:07] Also ich meine Typographie auf der einen Seite als Technik, auf der anderen Seite als Ästhetik, das ist ja wirklich so die, wann setzt man, also der Text muss schön aussehen.
Also nicht nur der Text liest sich gut, sondern der Text muss schön aussehen.

Micz:
[26:21] Das ist aber, finde ich, beides miteinander verkoppelt. Stell dir mal vor, ich habe mal hier jetzt einen Text zum Beispiel, den lese ich dir mal vor.
Ich habe so ein paar Sachen noch geschrieben.
Der Satz geht wie folgt. Der Film, er wurde von einem renommierten Regisseur gedreht, hat zahlreiche Auszeichnungen erhalten.
Das ist jetzt, man merkt, das ist nicht meine geniale Erfindung, aber ich habe jetzt bestehende Beispiele irgendwie weitergeführt, habe mir was ausgedacht, was zumindest nicht als Erklär dich nicht, erklär dich nicht.

Flo:
[26:56] Nee, warte mal.

Kommata vs. Klammern vs. Gedankenstrich


Micz:
[26:57] Der Film, er wurde von einem renommierten Regisseur gedreht, hat zahlreiche Auszeichnungen erhalten. Ich hab das hier mit Gedankenstrich geschrieben.
Also, da wird dieser Satz, er wurde von einem renommierten Regisseur gedreht, der könnte auch mit Kommata oder mit Klammern abgetrennt sein, aber es liest sich total anders, ne?
Also, es ist so, der Film, er wurde von einem renommierten Regisseur gedreht, mehr gesprochene Sprache, wenn ein Gedankenstrich drin ist.
Wenn eine Klammer drin ist, dann ist es eher so ein bisschen akademisches Schreiben oder so technisches Schreiben oder eher so besserwisserisches Schreiben sogar.
Und mit Komma abgetrennt ist keine Ahnung, ist eher so...
Das ist doppelt so ein bisschen.

Flo:
[27:44] Ja gut, mit Klammern ist eher ungewöhnlich.
Das finde ich jetzt nicht so akademisch oder besserwisserisch.
Das finde ich eher so handwerklich ungeschickt, mit Klammern zu arbeiten.

Micz:
[27:58] Aber das könnte auch gehen. Ich könnte zum Beispiel, wenn man wirklich was einfügt, wo der Erzähler noch mal richtig als Erzähler auch da kommen sollte.
Man könnte, ich erfinde jetzt, man sagt so, sie nahmen den Bus, Klammer auf.
Er wusste, dass der in die falsche Richtung geht, Klammer zu, und fuhren glücklich bis zur letzten Haltestelle. Das habe ich mir ganz frei ausgedacht. Aber da hast du, Klammer auf, Klammer zu, da würdest du wirklich dann so was, dass der Erzähler dir nochmal mit Augenzwinkern irgendwie was sagt.

Flo:
[28:23] Die wussten schon, was sie tun. Okay, aber das, was er wurde von einem renommierten, das könnte jetzt auch eine Fußnote sein, wo dann, Klammern häufig, die Funktion von Fußnoten übernehmen, wo eigentlich noch mehr Information über diese Texte, die aber nicht zum Text dann halt quasi weiter inhaltlich beiträgt, sondern noch als Zusatzinformation genommen werden kann.
Das ist für mich dann auch der eine. Und das könnte man halt in Fußnoten packen. Ja.
Aber stimmt, was du sagst, ist auf jeden Fall ein Szenario.

Micz:
[28:52] So ein Einschub da drin. Es ist kein eigener Satz. Es ist irgendwie, aber ja, man könnte es als Fußnote nennen, dann müsste man es als eigener Satz nochmal formulieren.
Aber es ist, wenn man es jetzt wirklich eher so als Radiostimme im Kopf haben möchte, dass der Gedankenstrich da einfach einen mehr so an der Oberfläche des Textes an der Zeit irgendwie dran lässt.
Das Komma ist so ein bisschen holprig und die Klammer finde ich ist wirklich so, als ob das auf eine andere Ebene springt.

Flo:
[29:18] Das stimmt, ja. Ja, das kann ich nachvollziehen.

Micz:
[29:21] Ich kann ja mal ganz kurz, ich hab so ein paar Sachen, wir sind jetzt beim Stilmittel,

Hervorhebung und Betonung mittels Gedankenstrich


[29:26] also literarischen Texten.
Wie kann das, und da habe ich so ein paar Beispiele jetzt eben generiert.
Also es gibt zum Beispiel die Hervorhebung und Betonung.
Der Gedankenstrich, der wird dann einfach verwendet, um da nochmal was zu betonen.
Du merkst dann, das kannst du mit einem Komma oder mit Klammern nicht machen.
Der Satz, den ich habe, ist so, sie war die einzige Person, wirklich die einzige, die an meiner Seite stand, als alle anderen gegangen waren.
Meine, da fehlt ein R, habe ich falsch gemacht. Sie war die einzige Person, Strich, wirklich die einzige, Strich, die an meiner Seite stand.
Das könnte man auch mit einem Komma machen.
Es muss nämlich sowieso hinter diesem Gedankenstrich, sehr hässlich da im Kammer, eingesetzt werden, Weil in der Rechtschreibung ist das so ein Gedankenstrich.
Hat eigentlich rechts und links im Deutschen immer auch ...
Whitespace, also ein Freizeichen. Allerdings nicht, wenn ...

Flo:
[30:22] Komma, ein Nebensatz.

Micz:
[30:23] Wenn anderes Interpunktionszeichen, Fragezeichen, Ausdruckszeichen, Komma oder so was da ist.
Das heißt, es sieht zwar hässlich aus, trotzdem ist es nachvollziehbar, dass das mit nur Komma keine gute Betonung ist. Sie war die einzige Person, Komma, die an meiner Seite stand. technisch. Das wäre also Hervorhebung und Betonung.

Spannungsaufbau mittels Gedankenstrich


[30:43] Man kann aber auch Spannung damit aufbauen im Literarischen.
Er blickte über die Klippe hinunter in die tiefen, schwarzen Fluten des Ozeans und dann verschwand er einfach.
Das ist diese kleine Pause hinter Ozeans. Er blickte hinunter in die schwarzen Fluten des Ozeans.
Und dann verschwand er einfach. Das UND bindet die beiden Sätze zusammen, aber wenn du dann beim Lesefluss einen Gedankenstrich vor dem UND hast, dann bleibt das fast wie bei dem Kleist-Beispiel auch ein bisschen offen.
Ist jetzt zurückgetreten, ist ja gesprungen, was da passiert.

Flo:
[31:18] Also ist es vor allen Dingen ein narratives Element? Würdest du das so sehen?
Oder kann es auch in akademischen Texten dann einfach zur Betonung benutzt werden von wichtigen Absätzen?

Micz:
[31:32] Naja, dieses mit dem renommierten Regisseur, das könnte auch eine andere Information sein.
Ich finde, der Bindestrich der Gedankenstrichschuldigen, der lässt das irgendwie offen.
Da kann man irgendwie, finde ich, besser... Das meine ich, das ist wie eine offene Tür. Man liest einfach weiter. Es ist, als ob man es im Radio hört und nicht, als ob man es sich im Text erarbeiten muss. Ich finde es eher ein Audiobook als Zeitung.

Das Semikolon als Angeberzeichen?


Flo:
[31:55] Ja, ich habe mal von einem Texter gehört, der gesagt hat, in jedem guten Text gehört ein Semikolon.
Das könnte sich ja ausweiten auf alle möglichen Sonderzeichen, aber in jedem guten Text gehört ein Gedankenstrich.

Micz:
[32:12] Das Lustige ist, ich habe sogar, glaube ich, neulich mal Semikolon benutzt, aber dann wirklich so innerlich kichernd, weil das war eine Aufzählung von Sätzen.
Das war ein Smiley.
Das war eine Aufzählung von einzelnen Sätzen und die wollte ich wie eine Liste hintereinander schreiben und dann hatte ein Satz grammatikalisch nochmal ein Komma mittendrin. Das heißt, das Komma als Trennung war nicht mehr gut genug.
Dann bin ich so quasi accelerate.
Und dann habe ich einen oben drauf gesetzt und habe ich mit Semi-Kolon meine Liste getrennt und konnte dann das Komma einsetzen.
Lesbar, spürbar, klar.

Satzzeichen sind mehr als Grammatik


Flo:
[32:47] Aber was ich damit sagen will, und ich glaube, da kommen wir auf so einen Eigentlich-Punkt, dass tatsächlich so Satzzeichen über die grammatikalische Funktion hinaus auf einmal so eine narrative Funktion bekommen.
Das sind halt so seltene Zeichen, wie Semikolon oder Gedankenstrich.
Wenn man die einnetzt, dann gibt es halt nochmal so einen für den Adressaten, derjenige, der das liest, einen Inhalten oder einen Punkt, wo man einen gewissen Abstand bekommt im Text.

Ellipsis -- erste Poesie mittels Satzzeichen


Micz:
[33:30] Ja, ich glaube, das erste Mal, ich weiß nicht, vielleicht geht es dir ähnlich wie mir, aber das erste Mal, das Semikolon war so eine ganz frühe Verwirrung.
Das war schon in der Grundschule, das war für mich ein total verwirrter Semikolon.
Das war mir zu anstrengend, zu viel Arbeit, keine Ahnung, muss man so viel denken.
Aber es gab so ein zweites Satzzeichen.

Flo:
[33:48] Also spätestens als du angefangen hast zu programmieren.

Micz:
[33:51] Dann braucht es ja jeden Fall. Aber es gab so ein zweites damals, ich glaube sogar, das war sogar noch Grundschule, wo ich das zum ersten Mal wahrgenommen habe, was mich total fasziniert hat.
Das war so zauberhaft und da ist dann wirklich eben aus der Interpunktion heraus was Poetisches entstanden. Einfach beim Hingucken.
Was ich da meine? Ja. Möchtest du es mit mir und den anderen, die sieht das ja nur ein Teil?

Flo:
[34:17] Nein, Semikolon.

Micz:
[34:21] Ich löse es jetzt auf, nur du kannst es sicherlich erraten, teilst es aber nicht, gibst es mir nicht zurück, deshalb nehme ich es mir einfach.
Und zwar ist es also die drei Punkte Ellipsis.
Also wenn man so einen Text, das ist ja ein bisschen ähnlich beim Gedankenstrich, kann man ja auch Dinge auslassen, hast du ja gerade bei Kleist schon das Beispiel genannt, Aber es ist ja diese...
Und dann war alles klar.

Flo:
[34:43] Punkt, Punkt, Punkt.

Micz:
[34:44] Das war so der Moment, das weiß ich noch, da war ich noch relativ jung, war noch irgendwie noch nicht so...

Flo:
[34:49] Hast du Fünf Freunde gelesen?

Micz:
[34:50] So in der Art, ja. Da ist es vielleicht auch sogar drin. Aber da habe ich zum ersten Mal, das hat so Huhuhu gemacht.

Flo:
[34:56] So Punkt, Punkt, Punkt.

Micz:
[34:59] Ja, und dann ist es, ah, kann alles mögliche.

Flo:
[35:03] Ja stimmt, das sind die frühen Detektivgeschichten für so Kinder.
Sie kommt echt oft Punkt, Punkt, Punkt vor.
So, dann gehen wir jetzt durch das Brutgebiet von der... Gucken wir nochmal.

Brutgebiet der Feldlärche auf dem Tempelhofer Feld


[35:15] Das ist nämlich hier alles abgedrängt.

Micz:
[35:16] Winddrachen. Das sind schon ein paar junge Winddrachen im Himmel.
Frisch geschlüpft. Ja, siehst du, der Witz war gut.
Vorbeigehendes Publikum bricht schallend zusammen. Punkt, Punkt, Punkt.

Flo:
[35:29] Gedankenstrich. Hier brütet die Feldlerche.
Aber jetzt ist gemäht, das heißt, die Feldlärche wird nicht mehr brüten, die ist durch. Die neue Generation ist gesichert und wir machen weiter.

Micz:
[35:43] Wir machen weiter.

Einschübe und Nachsätze mittels Gedankenstrich


[35:48] Das Einschüben und Nachsetzen war das mit dem Regisseur, was ich vorhin schon sagte.
Es gibt aber auch, das kennst du auch ganz oft, so Dialoge, wird manchmal sogar

Dialoge mittels Gedankenstrich


[35:55] auf Werbung, wenn halt irgendwie mit kurzem Dialog ein Produkt begleitet wird, irgendwas mit Plop oder sowas.
Dann wird auch der Gedankenstrich zum Beispiel, hast du das Buch gelesen?
Strich, nein, ich hatte keine Zeit. Also dann ist klar in dem Moment, durch den Binnenstrich, es ist Frage-Antwort.
Es sind zwei Leute, die miteinander reden.

Unvollendete Gedanken mittels Gedankenstrich


[36:19] Dann gibt es unvollständige Gedanken.
Da ist mir nichts anderes eingefallen, als was ein bisschen aufgebracht klingt.
Wenn du das nicht sofort zurückgibst, dann Strich.

Flo:
[36:35] Aber dann würde ich eher sagen Punkt, Punkt, Punkt.
Du hast mir den Flo ins Ohr gesetzt.

Micz:
[36:42] Du bist der Flo.

Flo:
[36:44] Aber ohne H.

Micz:
[36:46] Dann gibt es auch ganz kurz gefasst die Ankündigung von etwas oder etwas Unerwartetes,

Ankündigung etwas Unerwarteten mittels Gedankenstrich


[36:51] was dann so zusammengepackt wird.
Da habe ich geschrieben, die Schuhe passen wie angegossen und waren so billig.
Auch dieses und waren so billig ist natürlich, braucht man keinen Bindestrich, aber, äh, Gedankenstrich, aber mit dem Gedankenstrich wird es nochmal betont, ja, es ist was Unerwartetes, ja, dass der, man ist irgendwie noch in dem Bild, die Schuhe passen, aha, aha, aha, man sieht dann das Video von dir, wie du deine Schuhe einläufst beim Wandern, und waren so billig, ist dann, passt dazu und gleichzeitig durch diesen Gedankenstrich wird das Unerwartete nochmal betont.
Man kann auf eine ähnliche Art auch so einen Wechseleffekt, also wenn sich was

Wechsel und Wendungen mittels Gedankenstrich


[37:33] um 180 Grad dreht oder kann man mit einem Gedankenstrich irgendwie einleiten.
Der Satz, der mir dazu eingefallen ist, von zwei Dingen, die zwar zusammenhängen und trotzdem völlig unterschiedliche Stimmung andeuten, ist mein Satz hier.
Da sind ja die Schlüsselstrich.
Jetzt aber schnell, wir sind schon spät dran. Also das gehört in einen Satz, aber man merkt, das sind zwei Dinge, die gehören zusammen.
Gleichzeitig sind die getrennt und der Gedankenstrich ermöglicht dir diesen Tempowechsel, wie du es schönes Wort dafür auch darzustellen.

Poesie mittels Gedankenstrich


[38:08] Und dann, wenn es dann ein bisschen poetischer wird, dann kann das...

[38:15] Kann das einfach wirklich auch als Stilmittel genutzt werden, um Pausen einzuziehen.
Zum Beispiel, die Musik spielte leise ein zartes Wiegenlied, das die Seele berührt.
Zum Beispiel, er lachte frech.
Die Sonne ging unter. Das wäre jetzt wiederum unerwartet, das zusammenzubringen.

Kaltfeld Tempelhofer Feld


Flo:
[38:41] Ja, ich möchte mal zur Laufstrecke sagen, dass ich dieses Tempelruferfeld jedes mal wenn ich drüber bin drüber laufe bin ich so verzaubert weil ich das so toll finde.
Aber auf dieser Schnittstelle zwischen Großstadt und Land hat es ja nochmal so eine ganz bedeutende Funktion als Kaltfeld.
Also in der Stadt nochmal so eine große Fläche zu haben, dass du halt so ein Kaltfeld aufbauen kannst, dass sich die Stadt nicht so aufheizt.
Und dann von der Freizeit, Architektur ist halt so toll, dass die Leute so Sport machen können.
Also ich fahre ja auch öfters mal mit dem Rad hier drumrum, aber ich laufe nicht oft durch das Tempelhofer Feld. Ich fahre immer die äußere Runde und ich finde das irgendwie so großartig.
Das ist wirklich ein Reichtum hier.

Micz:
[39:30] Ich finde es auch super. Ich finde es auch total absurd, dass immer wieder die Diskussion losgeht, das irgendwie anzukratzen, von den Rändern heranzubauen.

Start- und Landebahnen sind meterfiefe Betonklötze


Flo:
[39:37] Ja, von den Rändern heran, aber du kannst, also ich habe das auch mal mit so einem Freund besprochen, der dann in der Stadtplanung ist, du kriegst halt diese Startbahn und Landebahn nicht raus, weil da zwölf Meter oder sechs Meter Beton einfach in der Erde drin ist.
Und jeder, der hier diesen Zuschlag für das Gebiet bekommt, kann sich einfach nicht leisten, das hier zu renovieren, weil du musst erst mal zwölf Meter oder sechs Meter Beton aus Erde raus pulen. Das ist, das kann man, das ist halt wie so ein Bunker.
Weißt du, wie halt irgendwie so in Wien dann immer noch diese Bunker stehen geblieben sind und bei uns dann nur gesprengt worden konnten im Windschatten vom Krieg, wo sich keiner mehr beschwert hat.
Aber du kriegst es halt einfach nicht renoviert.

Randbebauung beim Central Park NYC?


Micz:
[40:22] Ich finde es aber auch anders. New York hat halt Central Park und das ist halt einfach gesetzt.
Das gehört einfach so dazu und ich finde es schade, dass in Berlin da überhaupt eine Diskussion läuft. Ich bin mir sicher, dass niemand in New York sagt, wir könnten noch mal Häuser in Central Park bauen.

Flo:
[40:38] Ja gut, aber du musst ja die angrenzende Fläche zum Central Park, es geht ja immer nur um die angrenzende Fläche, die noch irgendwie einbezogen wird.
Also jetzt nicht das Gebiet selber, das Kerngebiet, sondern darum geht es in der Diskussion.

Micz:
[40:53] Am Tempelhofer Feld? Ja. Aber dann verstehe ich die Sache nicht.
Das Tempelhofer Feld hat jetzt gerade einen Zaun drumherum und da hört es auf.

Flo:
[41:03] Aber es geht quasi um, ja, wahrscheinlich um so 100, 200 Meter, die halt hier in dieses Feld reinragen.

Micz:
[41:09] Ja, die Randbebauung eben, dass man den Rand irgendwie weggibt und es verkleinert.

Flo:
[41:15] Weißt du, was das da für ein Turm ist, da hinten?
Der sieht auch noch so neu aus.

Micz:
[41:22] Ja, das sieht neu aus und irgendwie von Proportionen so komisch.
Ja, weil der so verloren ist. Ja, als ob das...
Ja, aber auch die Fensterhöhe ist...

Typografie, Bleisatz, Geviert und Maße


Flo:
[41:32] Okay, so viel zur Laufstelle. Wir sind schon gerade ein bisschen lost auf der Welt.
Aber du wolltest nochmal zur Geschichte der Typografie und des Bleisatzes, des Buchdrucks, wo sich dann natürlich der Gedankenstrich als Maßeinheit ableitet.
Und dann kommen wir zu den gefürtelten und halbgefürtelten und gefürtelt gefürtelten, viergefürtelten.

De vs. en: Halbgeviert- und Geviertstrich


Micz:
[42:02] Also, wenn man sich ganz kurz fasst, erst mal von der Bedeutung des Gedankenstrichs her, dann spricht man vom Langstrich oder den Geführtstrich.
Der Langstrich ist der deutsche Gedankenstrich, das ist halb so lang wie der Geführtstrich, heißt deshalb auch halbgeführt von der Länge her.
Geführt ist ein altes Wort, können wir vorweggreifen für Quadrat quasi, und hat damit zu tun, dass die Buchstabengrößen, Spationierung zwischen den Buchstaben und so weiter, das wurde alles in Geführt unterteilt, oder was?

Geviert schnell erklärt und unten verlinkt


Flo:
[42:38] Darf ich da nochmal eingreifen, weil das, glaube ich, wichtig ist?
Also, wir verlinken das, aber wenn man sich dann halt quasi so den einzelnen Buchstaben als Bleisatz vorstellt, dann gibt es so verschiedene Areale in diesem Bleisatz, die heute auch tatsächlich noch in der ganzen Typografie-Setzung auf dem Desktop-Publishing immer noch irgendwie präsent sind als Begriffe, nämlich das, was dann eben die Dikte ist.
Also das heißt, das ist im Prinzip die Höhe von, also die Breite von den Buchstaben, wenn man sich, mit einer gewissen, mit einem gewissen Raum drumherum und es gibt dann das, was dann halt dieses geviertel oder geviertel ausmacht, ist dann die kegelhöhe oder die kegelstärke.
Das heißt, das ist alles, was der buchstabe ausmacht, mit dem zeug drum rum.
Und wenn man das, quasi diese länge, einheit zum quadrat nimmt, dann hat man ein.

[43:41] Und das ist jetzt so die Einheit, nach der quasi sich der Abstand der Buchstaben zueinander richtet, wie auch die Zeilenhöhe.
Also es hat eher eine Bedeutung für die Zeilenhöhe.
Und das Gefürtel ist dann im Prinzip eine Einheit, ein ziemlich langer Abstand von einem Buchstaben zum nächsten.
Und das ist dieser Raum, den als Maßeinheit, aber das ist auch sehr übertragen gesprochen, weil das kann man nicht so eins zu eins quasi dann ableiten, für die Länge eines Gedankenstriches, für den Satzlänge oder für die...

Halbgeviert ist selten wirklich genau die Hälfte bei Schriftdesign


Micz:
[44:22] Genau, und das ist, wenn man dann weiterliest, das halbgeführt würde ja bedeuten, ich habe die Hälfte eines Geführts für diesen Schriftsatz, aber das ist dann eben auch nicht so.
Also das, was du vorhin gesagt hast, auf einer inhaltlichen Ebene, dass das Satzzeichen mehr macht als nur Punkt, Komma, Strich, sondern dass es auch inhaltlich eine Auswirkung hat.
So ist es dann im Endeffekt auch, dass der Bindestrich, Entschuldigung, der Gedankenstrich, das halbgeführte Strich, nicht bei dem Font wirklich immer diese Länge hat.
Da können wir nochmal verlinken, da habe ich auch auf einer Webseite Beispiele gefunden unterschiedliche Schriftsätze, wo du siehst, dass im Endeffekt ist das dann auch nur ein Name und ein Name, der sich ableitet über eine Bemessung, aber diese Bemessung ist dann nicht mehr verbindlich.

M = Geviert, n = Halbgeviert


Flo:
[45:17] Ja, ich glaube auch, weil einfach sich, also das kann man nicht eins zu eins so auflösen, aber man kann die Tendenz, und dann gibt es das Halbgeführte, und das ist halt dieses EM, EN.
Das EM ist quasi das Geführte als Einheit und das EN, wo wir am Anfang der Episode waren, E wie Nordpol, dann das Halbgeführte.
Damit leiten sich bestimmte Maßeinheiten in der Fondsetzung daraus ab.

Abstände werden auch mittels Geviert bemessen


Micz:
[45:45] Und wenn man in diese Striche, also die Striche kann man sich ja gut vorstellen, also halbgeführt ist halb so lang wie ein Geführt.
Es gibt aber auch einfach die Abstände zwischen Buchstaben, die werden natürlich auch in diesen Maßen bemessen und das findet man sogar heute noch in HTML, in HTML, wo normalerweise macht man Leerzeichen und im Browser

HTML erlaubt unterschiedliche Leerzeichen


[46:08] wird das alles dann automatisch gesetzt, wenn man es gerne hätte.
Aber, und wir hatten früher auch mal so eine Software, wo man Sachen setzen konnte, die dann in HTML im Bildschirm editiert wurden und gleichzeitig auch so als PDF rausgerechnet Da war es so, dass ein paar Verlage auch wirklich wollten, dass man bestimmte Abstände da direkt reinnehmen kann.
Und das gibt es im HTML, zum Beispiel, was du gerade sagtest, das geführt.
M, im Englischen heißt es auch M-Dash, das ist eben dieser Strich, das ist der Geführt-Strich.
Und als Leerzeichen mit einer Geführt-Länge ist in HTML dieses und-Zeichen em, sp für spacing, Semikolon.

[46:55] Und das Halbgeführt ist dann und-Zeichen en, sp, Semikolon.
Es gibt sogar in HTML auch das Drittelgeführt und das Viertelgeführt.
Das ist dann EMSP13 ist das Drittel, also M, Spacing, gedrittelt und EMSP14, Semikolon, ist ein Viertelgeführt.
Das fand ich ganz interessant, das war mir jetzt vor der Recherche auch nicht klar.
Das ist in HTML, in XHTML ist es abgebildet, in Unicode ist es auch abgebildet.
In HTML gibt es sogar ein Fünftelgeführt, das heißt aber Thinspacing, dünner Abstand.

Geviert in XHTML, Unicode und Tex


[47:37] Sechstelgeführt und Achtelgeführt gibt es auch noch. Sechstelgeführt ist in XHTML und Unicode.
Das Achtelgeführt ist allerdings nur in LaTeX. Also das ist quasi nicht mal in Unicode abgebildet, was mich auch verwundert hat, weil ich dachte, Unicode soll irgendwie alles erfassen, was irgendwie mit Schriften zu tun hat.
Und ich dachte, dass dann alles, was jetzt in LaTeX auch an Schriften schon abgebildet werden kann, auf alle Fälle auch in Unicode-Verwendung findet.

Striche in HTML, UTF und Tex


[48:05] Und dann gibt es natürlich den &m-Semikolon und &n-Semikolon auch als HTML-Zeichen.
Da gibt es für die Striche nur den geführten Strich und den halbgeführten Strich.
Das Minuszeichen ist weder noch. Das ist nochmal wieder was anderes.

Flo:
[48:24] Der Bindestrich kommt dann auch dazu, der ist auch normal. Also das wird dann halt irgendwie zusammengelegt aus ergonomischen Gründen, dass du halt früher bei deiner Schreibmaschine deinen Bindestrich und Minus dann zusammengeführt hast und der ist aber wirklich auch dann nochmal ein eigener Unique Space dann in diesem ganzen UTF-Raum.

Micz:
[48:47] Ja, also genauso wie die White Spaces gibt es halt für den Strich auch den doppelgeführten das ist der lange, der ist richtig lang, den geführt Strich, das ist der doppelte Bindestrich, sozusagen, der ist auf alle Fälle genutzt im Englischen für die, wie wir den Bindestrich nutzen, wird da der geführt Strich, also der doppelt so lange genutzt, dreiviertel, zweidrittel, halb, viertel.
Und der viertelgeführte Strich heißt auch Divis und der wird oft als Bindestrich benutzt.

Flo:
[49:20] Ja genau, Divis ist so ein Default-Strich.

Micz:
[49:23] Ja, aber es gibt genau dann eben Bindestrich- und Minuszeichen auch nochmal bei XHTML und Unicode.
Das gibt es bei Latex nicht, dieses Bindestrich-. Ich fand es ganz interessant zu schauen,

Geviertmaße sind heute eher Richtlinien


[49:38] dass es einerseits diese archaischen Bleigießer-Maße gibt, die auch irgendwie immer noch Verwendung finden.
Das sind Sachen, die wirklich einfach mit den Proportionen zu tun haben, sind relative Begriffe und trotzdem ist es im modernen Design so, dass die nicht wirklich eingehalten werden. Da sind sie dann einfach auch nur noch Worte oder Benennungen.

Flo:
[50:03] Aber die sind abgeleitet ganz klar aus diesem Handwerk des Bleigießens.

Micz:
[50:09] Und ich finde es einfach verrückt, dass es dann eben nicht, ich hätte wirklich

Nicht alle Striche in Unicode -- warum?


[50:12] gedacht, dass es in Unicode alles auch einen Platz findet, aber da gibt es scheinbar Leerstellen, wo Unicode bestimmte Sachen nicht erfasst hat, in Strichlängen auch.

Flo:
[50:20] Ja, wahrscheinlich, weil es dann halt auch keine Relevanz mehr hat.
Also das Consortium sagt dann halt irgendwie so, ja gut, warum würden wir jetzt irgendwelche Druckergeschichten dann mitschleppen, die dann halt irgendwie keine Relevanz mehr haben.

Micz:
[50:31] Ist das so? Weil gleichzeitig wird ja ein Unicode platzgelassen für Klingonisch und mögliche Alien-Sprachen.

Flo:
[50:35] Ja gut.

Micz:
[50:37] Und irgendwelche arreträischen Zeichen werden mit aufgenommen.

Flo:
[50:40] Also das müsste man jetzt mal einen Spezialisten fragen. Ich glaube, das kann man jetzt...

Micz:
[50:44] Das ist unser euphorisches Halbwissen.

Flo:
[50:46] Euphorisch, genau. Euphorisch. Mich würde nochmal interessieren,

Der Gedankenstrich im Englischen


[50:52] ob der Gedankenstrich jetzt in dem ganzen Latin-Sprachraum, also mitteleuropäisch und so weiter, ob der noch irgendwo anders eine Bedeutung hat. Im Englischen kommt der vor, aber nicht so oft.

Micz:
[51:07] Ja, doch sehr oft.

Flo:
[51:08] Ja? Also wird er auch so eingesetzt?

Micz:
[51:10] Ich war immer neidisch, ja genau, und jetzt habe ich halt irgendwie ein bisschen die Selbstsicherheit, dasselbe auch zu machen. Aber im Englischen fand ich den sehr, sehr oft.

Flo:
[51:19] Auch dann halt in der Narration und so weiter, als genau in der gleichen Konnotation.

Micz:
[51:27] Ja, bloß ist es eben der Geführtstrich und hat keine Spazierierung zwischen Buchstabe und Strich.
Und bei uns ist es der Halbgeführtstrich und wir haben aber eine Spazierierung.

Flo:
[51:39] Okay, verstehe. Der wird einfach noch länger gezogen.

Micz:
[51:44] Ja, der ist genau. Und schließt direkt daran. Was ich auch...
Es ist interessant, man fühlt sich nicht gut an.
Man hat ja sowieso einen emotionalen Bezug zu bestimmten Fonts, also Schriftarten, die man gut findet oder nicht.
Und als zweites ist es dann aber so, egal welche Schriftart, immer wenn ich englisch diesen ultralangen Gedankenstrich sehe, der dann auch so rechts und links so anklebt, der ist mir ein bisschen unangenehm.
Also beim Lesen möchte ich mich immer ein bisschen entschuldigen bei den naheliegenden Buchstaben, dass der sich da so breit macht.

Flo:
[52:20] Genau, so man-spreading-letter. Genau.

Historie: Gedankenstrich wird schon lange diskutiert


Micz:
[52:26] Ja, ich habe zum Abschluss noch, ich verlinke das, ich glaube, weil ich müsste das jetzt auch irgendwie vorlesen, da wäre ich jetzt zu hippelig, um das irgendwie frei zu formulieren.
Aber ich habe einen schönen Artikel gefunden, wo auch nochmal so ein bisschen in der Einleitung über diesen Gedankenstrich, dass es wirklich auch ein besonderes Schriftzeichen ist, was auch schon im 18.
Jahrhundert besprochen wurde von Braun und Adelung zum Beispiel und die Zitate von anderen Kritikern, die dann sagten, dass dieser Gedankenschritt in einer, Zitat, unüberschaubaren Mannigfaltigkeit irgendwie benutzt wird, um das, Zitat, Sprachlose da irgendwie hinzufügen sollte und es wird dann sogar noch kritisch geäußert, dass man da ja irgendwie versuchen würde, Zitat, Fantasie des Lesers, dass da die Fantasie des Lesers tätig werden muss, ja, und das finde ich ganz gut.
Also es hat dann schon fast so interaktive Elemente, die da reingehen.

"Gedankenstriche: Zum Streichen oder Unterstreichen? Wozu Gedankenstriche?" von Martine Dalmas


[53:30] Und ich weiß nicht, der Artikel ist in Deutsch.
Ich habe mal recherchiert, ich glaube es ist eine Frau, Martin Damas, ich weiß nicht, wie man es ausspricht, oder Amas, ich kenne es, das tut mir leid, wir werden es verlinken und dann muss ich es nicht sagen.
Was die macht, ist, dass die über 50, also in ihrem Sinne wahrgenommen, unterschiedlich wahrgenommen, Nutzung des des Gedankenstrichs in der deutschen Sprache anhand von Textbeispielen aufführt.
Und das fand ich irgendwie so ganz gut, damit es dann schon so sehr kleinteilig.
Da sind wir so richtig bei so einem Schmetterlingszuchtverein oder Taubenzuchtverein.

Flo:
[54:15] Oh, ein ganz seltener Gedankenstrich.

Micz:
[54:18] Oder eben Orchideen oder Tulpen oder so. Und das fand ich aber trotzdem spannend zu lesen, weil, wie gesagt, euphorisches Halbwissen.
Ich bekenne mich, vielleicht muss man auch ein T-Shirt rausbringen.
Ich mag den Gedankenstrich.
Ich bin ein Freund des Gedankenstrichs und ja und ich hoffe,

Eigentlich Schluss


[54:42] dass das zumindest in dieser Folge auch so ein bisschen durchkommt, wenn ich insgesamt natürlich das Gefühl habe, es gibt a nicht so viel darüber zu sagen, die technischen Sachen kenne ich mich nicht wirklich drin aus, aber trotzdem der Gedankenstrich, der Gedankenstrich ist wie der Spatz am Alexanderplatz.
Da könnte man zwischen Spatz und am Alexanderplatz sogar einen einbauen.

Flo:
[55:09] Ja, sehr schön. Also, ja, die emotionale Verbindung ist auf jeden Fall klar geworden.
Die technische ist vielleicht dann nicht ganz so klar geworden.
Wir haben uns Mühe gegeben, stets bemüht.
Und ja, dann würde ich sagen, in diesem Sinne, das Tempelhofer Feld haben wir jetzt schon thematisiert, aber nach wie vor wandern wir auf dem Feld und gehen gleich wieder zurück auf den Ausgang in Richtung Leinestraße.
Ja, Mitch, vielen Dank für deine Episode, für deine Geschichte, für deine Anstöße, Gedankenstrich.
Und das war eigentlich Podcast Episode 37.
Ich hoffe, ihr seid dabei geblieben und ich versuche gerade mit einem Gedankenstrich zu enden und überlege, ob nicht auch in unserem Intro-Outro-Musik, diesem Beat, da nicht auch irgendwo ein Gedankenstrich Das könnte dieses letzte sein.